Genossenschaftsrevision


Die Genossenschaftsrevision ist mehr als pure Wirtschaftsprüfung. Wirtschaftsprüfung hat im wesentlichen die Aufgaben, der interessierten Öffentlichkeit Informationen über Unternehmen zu liefern, Vertragspartnern Schutz zu gewähren und die Akteure des Unternehmens zu disziplinieren. 

 

Genossenschaften verwirklichen darüber hinaus ein besonderes Geschäftsmodell – nämlich die Förderung ihrer Mitglieder, dem in der Prüfung Rechnung zu tragen ist. Aus diesem Geschäftsmodell folgen für die Prüfung klare Konsequenzen:

  • Die Genossenschaftsrevision ist eine Spielregel mit Tradition. Sie soll die Mindestkapitalisierung der Kapitalgesellschaften und die persönliche Haftung der Personengesellschaften ersetzen (Genossenschaftliche Kontinuität). 
  • Die Genossenschaftsrevision enthält immer eine Wirtschaftsprüfung und eine Member-Value-Prüfung. Sie berücksichtigt die besonderen Merkmale der genossenschaftlichen Organisationsform und ist daher mehr als pure Wirtschaftsprüfung (Genossenschaftliches Konzept). 
  • Die Adressaten der Genossenschaftsrevision haben primär die Mitglieder zu sein. Durch deren regionale und wirtschaftliche Verankerung wird jedoch eine breite Öffentlichkeit erreicht (Genossenschaftliche Konsistenz). 
  • Die Genossenschaftsrevision ist ein Element der genossenschaftlichen Selbstorganisation im kollektiven Interesse (Genossenschaftliche Kooperation). 
  • Die Genossenschaftsrevision muss wettbewerbsfähig sein, was von der Qualität der Revisoren abhängt (Genossenschaftliche Kompetenz). 
  • Die Genossenschaftsrevision hat eine effiziente Entscheidungshilfe für Mitglieder und Management zu sein (Genossenschaftliche Kultur). 

 

Die genossenschaftliche Revision stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist damit die älteste Pflichtprüfung überhaupt. Sie wurde zur Vorbeugung der zahlreichen wirtschaftlichen Schieflagen von Genossenschaften vereinbart. Informieren, Schützen und Disziplinieren, die allgemeinen Funktionen der Wirtschaftsprüfung können nun für die genossenschaftliche Revision konkretisiert werden. Es geht erstens um den Schutz der Eigentümer vor Einlagenverlust, Nachschüssen und wirtschaftlichen Rückschlägen. Es ist zu prüfen, ob die Genossenschaft in der Lage ist, Member-Value zu schaffen. Zweitens sind Gläubiger vor dem Forderungsausfall zu schützen: die Bonität der Genossenschaft ist in Konsequenz zu prüfen. Drittens ist der Schutz des gesamten genossenschaftlichen Verbundes vor finanziellen Schäden sicherzustellen. Es geht um die Prüfung des Potenzials und der Bereitschaft zu Solidarität mit finanziellen Folgen. Viertens ist der Schutz des gesamten Wirtschaftssystems zu thematisieren. Die genossenschaftliche Revision kann zu gesamtwirtschaftlicher Stabilität und Sicherheit beitragen. Fünftens ist der Schutz der genossenschaftlichen Organisationsform generell angesprochen. Eine qualitativ hochstehende Revision kann in ihrer Auswirkung einen enormen Beitrag zur Reputation und zur Zukunft der genossenschaftlichen Organisation leisten.

 

Es ist zu sehen, dass es sich bei der Genossenschaftsrevision um ein komplexes Auftrags- und Interessengeflecht handelt. Die Komplexität entsteht aus der skizzierten umfangreichen Aufgabenstellung. Im Mittelpunkt stehen die Mitglieder der einzelnen Genossenschaft. Sie beauftragen einerseits deren Management mit der Schaffung von Member-Value. Sie beauftragen aber auch den Gesetzgeber damit, Informationen, Schutz und Disziplinierung sicherzustellen. 

 

Prof. Dr. Theresia Theurl ist Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.  Diese Informationen sind einem Vortag von Fr. Prof. Theurl auf der Bundesrevisorenkonferenz in Bad Tatzmannsdorf entnommen.

 



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